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Gedankenfetzen

„Schrubschrub abestürzt.“ – „Schschsch.“ – „Krrgrrgrcch“ – „Klicker“ – „Knacks“ Aufgeregt rannte der Dreijährige zu seinen Eltern. Der Zweiundzwanzigjährige lauschte dem Schleifgeräusch hin und her Sch und Sch und Sch. Das Schaltgetriebe des Lastwagen krachte. Was meinte der Zweijährige mit Klicker und was hatte das mit der Toilette zu tun. Der Arm war gebrochen, daran bestand kein Zweifel. Der Zwölfjährige ging zum Busfahrer und teilte es ihm mit.

Im Ampertal loderte noch das Feuer des abgestürzten Militärhubschraubers. Den Eltern war nun klar, was ein Schrubschrub war. Die Fließbandarbeit war monoton. Das Metallband wurde hin und her geschoben. Das Schleifpapier senkte sich und „Sch“. Die Kupplung zu spät getreten, dachte er. Die sieben Tonnen schoben sich den Berg hinunter. Die Metallstäbe der Mähdrescherwalze klickerten auf dem Asphalt. Zum Ernteeinsatz fuhren sie regelmäßig am Haus vorbei. Der Klappsitz am Hintereingang wurde hochgeklappt und die Jugendlichen drückten dagegen. Er schafft es nicht den Unterarm mehr zu befreien. Bis es Knack machte.

Das Feuer kletterte den Hang hinauf. Fasziniert standen die Geschwister am Fenster. Der Kollege begann vom Geist der Maschinen auf Englisch zu reden. In der Monotonie des Sch hörte er interessiert zu. Neunzig Stundenkilometer war zu schnell. Die Druckluftbremse zischte. Was in die Toilette gefallen war, war ein Mähdreschermodell wie der Vater feststellte. Wieso nannte das Kind es Klicker? Normalerweise weinen Zwölfjährige, wenn sie sich den Arm brechen. Deswegen konnte der Busfahrer es nicht ganz glauben. Jedoch sah der Unterarm nicht normal aus.

„Ssst Ssst“ – „Klong“ – „Flum flat flat flat“ –  „Frr Frr“. Der Vierjährige schaute fasziniert zu wie der alte Mann den den Schleifstein über die Sense zog. Das Geräusch klang nicht gut, dachte sich der Zwanzigjährige und sah die Ölspur im Rückspiegel. Es zerrte ziemlich am Lenkrad mit seinen fünfundzwanzig Jahren hatte er genügend Erfahrung. Das Brot war knusprig und die Kundin wollte es geschnitten haben, wieso dachte der Sechsundzwanzigjährige jetzt an die Monotonie des Metallschleifens.

Der gleiche Hang der letztes Jahr noch unter Feuer stand wurde nun von dem alten Mann mit der Sense gemäht. Die Ölspur veranlasste ihn die Kupplung zu treten und den Motor auszumachen. Es war die richtige Entscheidung. Der rechte Vorderreifen war geplatzt. Er erinnerte sich an die Ölspur und trat die Kupplung und versuchte den Wagen auf dem Luftkissen ausrollen zu lassen. Vor und Zurück das war es. Brot schneiden ist wie Metallbänder schleifen.

Es war aufregend den Feuerwehrleuten zuzuschauen, wie sie den Brand löschten. Raus durften die Geschwister nicht. Er erinnerte sich an den Brand des Hubschraubers. Das Zischen des Schleifgeräusches erinnerte ihn ein wenig an das Zischen bei einer Brandlöschung. Glücklicherweise war das Gefälle bald vorüber die Metallladung auf dem LKW schob doch sehr. Die Luft flirrte über den heißen Asphalt des Spätsommers als die Mähdrescher ausrückten um die Ernte einzuholen. Nachdem alle Schüler ausgestiegen waren, fuhr der Busfahrer den Zwölfjährigen in das Krankenhaus.

Der Motor jaulte auf. Nur nicht vom Gas gehen dachte er, das hatte er schon mal in der Wüste erlebt. Der Schlamm neben den Gleisen war zwar nicht wie die Wüste, aber die Gefahr des Steckenbleibens war die Gleiche. Das Lenkrad schlug ziemlich hin und her. Nur die Spur halten, dachte er. Es war ein anderes Zerren als bei dem geplatzten Reifen. Der Wagen rollte auf die Standspur. Das Luftkissen hatte ihn getragen. Das hätte auch übel ausgehen können. Das Ausrollen erinnerte ihn an die Ölspur. Der Motor des VW-Busses erlitt damals keinen Schaden, weil er geistesgegenwärtig den Motor ausschaltete und den Wagen ausrollen lies. Der Werkstattmeister bedankte sich später dafür, weil der schlecht aufgeschraubte Ölablassdeckel beim letzten Ölwechsel ein Fehler der Werkstatt war. Die Polizei hatte sich direkt hinter den Lastwagen gehängt als dieser aus der Lastwagenspur in den Normalverkehr zurückkam. Er hatte es nicht bemerkt.

 

Die Wanne loderte lichterloh. Mit dem Feuerlöscher gab er ein paar gezielte Stöße seitlich unter die Flamme und löschte sie zum Erstaunen des Ausbilders ziemlich schnell. Der Ausbilder fragte den Siebzehnjährigen, ob er denn schon mal mit dem Feuerlöscher gelöscht hätte. Dieser verneinte es und erinnerte sich an die Löscharbeiten, die er als Vierjähriger gesehen hatte. Als Soldat bei der Luftwaffe hätte er damit rechnen können auch in einen Hubschrauber einsteigen zu müssen. Es war ein kurzes Zögern und er fragte sich warum. Dann viel ihm der Absturz des Hubschraubers ein. Es war nur ein kurzes Zögern. Dennoch schaute der Hauptmann, er hatte es wohl bemerkt.

Das läuft ja bei dir wie geschnitten Brot, sagte der Freund als er ihm beim Sensen zuschaute. Er dachte sich Brotschneiden ist nicht so glatt wie das Sensen. Eine gut geschliffen Sense gleitet bei der richtigen Technik wesentlich besser durch das Gras als die Brotschneidemaschine durch ein Brot. Es war ein glatter Bruch und der Knochen war sogar wieder in die Ausgangsposition gesprungen. Der Arzt stellte auf dem Röntgenbild ganz klar den Bruch in der Elle fest. Die Speiche hatte sich wohl unter der Belastung gebogen, aber war nicht gebrochen. Hätte ich nicht geglaubt, meinte der Busfahrer. Der Junge hat noch nicht mal geschrien oder geweint. Er kam einfach zu mir mit der Behauptung, dass der Arm gebrochen sei.

Der Dreissigjährige hörte wieder das Jaulen des Motors und erinnerte sich an die Wüste und den Schlamm neben den Gleisen. Zum dritten Mal das Schlagen des Lenkrads und das mitten in Griechenland im Nirgendwo. Diesmal kam er nicht durch. Es fehlte nur ein Meter aus der Schlammkuhle. Doch erinnerte sich an den Fußmattentrick. Tatsächlich damit war auch der letzte Meter geschafft. Wettrennen waren sie gefahren, fuhr es ihm durch den Kopf. Der Achtzehnjährige hatte Glück gehabt diese Zeit überlebt zu haben. In siebeneinhalb Minuten von der Kleinstadt in die Dorfdisko hieß es. Er schaffte es. Die sechs Minuten, die es angeblich zu schlagen galt, waren schlicht gelogen.  Das erfuhr er erst später. Das erste Mal, dass er ein Auto fuhr war mit fünf Jahren. Er setzte den Mercedes seines Vaters gegen die Hauswand. Als der Käfer auf der vereisten Brücke in das Schleudern geriet, dachte er sich mit Neunzehn – nur nicht gegen die Friedhofsmauer und versuchte dieses schleudernde Ding unter Kontrolle zu bringen. Den Schulkameraden auf der Rückbank schleuderte es hin und her. Er schaffte die Neunziggradkurve irgendwie. Aber diese dämlichen Schleuderbewegungen waren immer noch nicht weg. Die Räder donnerten gegen die Kantsteine. Schließlich drehte sich der VW-Käfer einmal um seine eigene Achse und war fast zum Stillstand gelangt. Erleichtert ging er von der Bremse und der Wagen rollte rückwärts gegen einen Betoneingangspfosten. Eigentlich hätte er nur auf der Bremse bleiben sollen. Wie er später erfuhr hob diese letzte Bewegung des Wagens den Motorblock aus der Verankerung und machte mit den Achsenbrüchen den Wagen zu einem Totalschaden. Wenigstens war kein Menschenleben zu schaden gekommen.

Der Golf schleuderte ganz anders als der VW-Käfer, dachte er sich. Aber das mit den Kantsteinen gegen die Achsen, das Gefühl kannte er bereits. Diesmal lies sich der Wagen leichter einfangen, bildete er sich ein. Er verfluchte die Eisflächen im Winter. Ein Zaunpfosten gab dem Kotflügel einen Beckerer mit. Der Wagen fuhr noch.

Diesmal hatte er die Kurve nicht erwischt. Er war am Steuer eingeschlafen. Als er nach dem Sekundenschlaf aufwachte sah er was rundes auf seinen Kopf zufliegen. Es war ein Zaunpfahl im Querschnitt, wie er später feststellte. Reflexartig zog er seinen Kopf zu Seite. Der Knall in den vförmigen Graben stoppte den Wagen unsanft und abgesehen von dem Loch in der Windschutzscheibe und dem Loch in der Heckscheibe war diese Wucht des in den Grabenknallens der Totalschaden des Fahrzeuges.

Mit hundert Stundenkilometer bei Regen über die Landstraße und sein Freund demonstrierte ihm, dass jetzt Aquaplaning angesagt ist in dem er das Lenkrad nach links und rechts drehte und der Wagen gerade aus fuhr. Ihm blieb das Herz fast stehen. Ein kleiner Trockenbereich und der Wagen würde wie eine Rakete gegen die Alleebäume knallen. Er herrschte ihn an, den Unsinn bleiben zu lassen. Ein Wunder, dass er seine Jugendzeit überlebte.  

Er erinnert sich an die Übung als er einem anderen Freund den Bremseneffekt demonstrierte. Eigentlich wollte er nur demonstrieren, dass der Wagen bei einer Vollbremsung gerade ausrutscht. Er schlug das Lenkrad voll ein. Dann lies er die Bremse los und es ging ab in das freie Feld. Aber wie es den Wagen herumriss hatte ihn dann doch selbst überrascht. Es waren diese Gedankenfetzen, die Verschiedenes in seinem Leben verknüpfte.